OOBT-021: Out of the Box-Touren – Beitrag 021
New Bike Day also. Ausfahrt, die erste. Noch dazu mit RobArt02 , dem ersten Holz-Fixie der Südsteiermark. Designed and made by #robertpressnitz, meinem Nachbarn in Arnfels in der Südsteiermark. Nach ausgiebiger Planungs- und Entwicklungsarbeit, die in einem eigenen Blogbeitrag (Link oben) skizziert ist, steht nun endlich der Elchtest für das Holzbike an. Das Ziel der Fahrt ist klar definiert: nämlich kein Ziel zu haben. Los rollen und schauen was passiert, lautet das Motto. Und weil nichts passierte, passierte so richtig viel.
Nach so einem Sager stellt sich die nicht ganz unberechtigte Frage, was denn so alles nicht passieren kann, wenn man mit dem Rad fährt? Nun, das ist so einiges. Und dabei denke ich gar nicht im entferntesten an einen Unfall. Also, nichts passieren in meinem Sinne ist harmloser.
Da sind zum Beispiel Geräusche. Ich kenne niemanden, der Geräusche am Bike liebt, ich kenne einige, die damit relativ entspannt umgehen und ich kenne noch mehr, die Geräusche zum Ausrasten bringen. Oder die zumindest nahe am Ausrasten sind, wenn etwa das Tretlager knarrt, die Kette raspelt, die Pedale quietschen oder sonstige undefinier- und ebensowenig lokalisierbare Geräusche aus dem Carbonrahmen kommen. Und da diese Typen nicht nur Ausrasten, wenn sie diese Geräusche am eigenen Bike hören, sondern auch, wenn die Geräusche aus dem Bike-Rudel kommen, mit dem sie gerade unterwegs sind, will ich dieses Risiko im Zuge meiner ersten Ausfahrt testen.
Gut. Dass das Problem mit dem Carbonrahmen beim Holzrad nicht auftreten würde, war mir klar. Zumal mein Rahmen keinen Resonanzkörper aufweist. Weil, Hohlräume sind nicht. In einer fünffach verleimten Mehrschichtplatte. Also können sich etwaige Töne im Inneren der Platte, sprich des Rahmens keinen Weg bahnen, sich verstärken, überschlagen und sich schließlich über den Gehörgang unberechtigt Zutritt ins Wohlfühlzentrum des Fahrers verschaffen. Und dieses zerstören.
Während das mit dem Rahmen aufgelegt war, fallen mir auf den ersten Kilometern aus Arnfels hinaus in Richtung Leibnitz viele andere nicht vorhandene Geräusche auf. So etwa die nahezu fehlenden Kettengeräusche. Wobei, zugegeben. Bei neuen Rädern hört man selten Kettengeräusche. Es sei denn, die Schaltung wurde vom ausliefernden Mechaniker boshafterweise nicht richtig eingestellt. Aber genau das kann mir nicht passieren. Jetzt nicht. Und später nicht. Denn neben Hohlräumen fehlen auch n+1 Gänge. Ich habe am RobArt02 nämlich nur einen. Und so komme ich in den Genuss, eine auf einem Ritzel in perfekter Kettenlinie laufende, super breite Singlespeedkette nicht zu hören.
Schließlich wäre da noch das Tretlager als potenzielles Geräuschkommando. Doch auch hier gilt: Geräusche Fehlanzeige. Nach dem Austausch des auf der ersten kurzen Testfahrt leicht verschlissenen Tretlagers01 spielt das zweite in einer ganz besonderen Liga, wie mir Davide Schöggl, Rennfahrer aus Eibiswald, später anerkennend bestätigte. Eine kurzes Ankurbeln mit der Hand genügt und die Kurbel dreht sich locker zweimal nach.
Während sich also meine Gedanken auf dieser ersten richtigen Ausfahrt u.a. um die oben angeführten nicht wahrnehmbaren Geräusche drehen, merke ich, dass ich nicht nur nichts höre, sondern auch nichts spüre. Zumindest keinen Unterschied zur Sitzposition auf meinem Specialized AWOL. Und das ist gerade was mich betrifft ein kleines Wunder. Denn: Die berühmte Prinzessin auf der Erbse ist völlig gefühlstaub im Vergleich zu mir, wenn es um die passende Sitzpositionen auf meinen Bikes geht. Zahllose Sattel-, Sattelhöhen-, Vorbau- und Schuhplatten-Nachjustierungen während meiner Phase als Rennfahrer sind Legende. Meiner Frau Silvia dröhnen noch heute die Ohren, wenn sie an meine damaligen Jammereien denkt.
Zugegeben: Mit den Einstellungen meiner Räder durch Günther Janger verschwanden diese Probleme. Seither sitze ich glücklich auf dem Bike. Aber dass Robert die Geometrie und die Einstellungen vom AWOL so perfekt auf das RobArt02 übertragen würde, hätte ich nicht zu träumen gewagt. Und so sitze ich mittlerweile bereits in Heimschuh auf meinem Rad und kurble locker und fröhlich dahin. Ohne Geräusche, ohne Positionsprobleme und immer mit dem richtigen Gang. Schließlich habe ich ja nur den einen.
Stichwort Gang. Thema Übersetzung. Ich hatte mich dabei vorab für eine 46er-Kurbel vorne und ein 16er-Ritzel (46/16) hinten entschieden. Diese Auswahl basierte auf einer kurzen Internetrecherche, einem Gespräch mit Günther Janger sowie mit #robertpressnitz, der sich selbst ebenfalls schlau machte. Die Idee dahinter war folgende: Ich wollte vor allem im Flachen einen vernünftigen Gang, der mir eine Trittfrequenz von 80-90 und ein zügiges Vorwärtskommen ermöglichen sollte. Mein Kalkül bestand darin, in der Ebene flüssig voran und kraftorientiert über Kuppen sowie kurze Anstiege zu kommen, leicht abfallende Passagen mit einer hohen, aber nicht extremen Frequenz bewältigen zu können und auf steileren oder längeren Abfahrten eben die Beine hängen zu lassen. In Heimschuh und nach dem welligen Terrain bis dorthin weiß ich, dass diese Übersetzung für mich einen Volltreffer darstell.
Nach dieser so gelungenen ersten halben Stunde des fahrenden Hörens und Spürens macht sich bereits große Zufriedenheit breit. Ich sitze perfekt auf meinem neuen Rad, höre nichts und rolle völlig entspannt und dennoch unerwartet zügig dahin. Und zügig bin ich tatsächlich unterwegs. Schließlich weist mein Garmin bis dahin eine Durchschnittsgeschwindigkeit von beinahe 30km/h aus. Ein Wert, den ich mir vor der Fahrt nicht so vorgestellt hätte. Schließlich ist mein Bike nicht gerade nach den Vorgaben einer Model-Agentur für Räder entstanden.
65kg auf 1,80m Körpergröße übertragen aufs Rad ergäbe ein geschätztes Gewicht von unter sieben Kilo. Mein RobArt02 wiegt hingegen mehr als doppelt so viel. Ein Fall für große Größen, quasi. Doch wie im Leben, so auch im Rad. Denn Heidi Klums Show belegt immer wieder eindrücklich, dass sich so manche Grazie trotz perfekter Figur kaum sturzfrei, geschweige denn rhythmisch und elegant bewegen kann. Und genau so fahren sich manche schön anzusehende Leichtgewichte unter den Rädern tatsächlich wie LKWs. Bei meinem Holz-RobArt02 ist es genau umgekehrt. Zumindest in der Ebene spürt man kaum, wie schnell man tatsächlich unterwegs ist, in den Kurven liegt es satt und sicher in der Hand und macht jede gewollte Richtungsänderung locker und bereitwillig mit.
Apropos Richtungsänderung. Kurz vor Leibnitz kristallisiert sich in Anbetracht des immer schöner werdenden Wetters und der positiven Fahreindrücke langsam ein echtes Ziel heraus. Ein Ziel, das auf mich immer wieder eine nahezu magische Anziehungskraft ausübt und eines, das perfekt zu den Fahreigenschaften meines neuen Bikes passt: Bad Radkersburg. Ich liebe diese Stadt mit ihrem wunderbaren Hauptplatz, den herrlichen kleinen Gässchen und den zahlreichen guten Cafés. Zudem ermöglichen mir die Fahrten nach Radkersburg insbesondere im Spätwinter und Frühjahr bestens, das Schöne mit dem Nützlichen in Form perfekter Grundlagenausdauer-Einheiten in der Ebene zu verbinden. Und somit ist Bad Radkersburg das perfekte Ziel für diese Ausfahrt.
Gesagt, getan. Ich fahre über einige kleinere Hügel bei Laubegg und Sajach nach Weinburg und über Gosdorf weiter nach Bad Radkersburg, genieße dort im Café Vielgut in der Langgasse 17 einen der besten Kaffees in der gesamten Südsteiermark, schieße einige Portraits von RobArt02 auf der Murbrücke nach Gornja Radgona und fahre schließlich über Slowenien nach Mureck und weiter über Ehrenhausen (zweite Espresso-Pause in der Vinofaktur), Gamlitz, den Karnerberg und Leutschach zurück nach Arnfels.
Unter dem Strich zeigt das Navi am Ende rund 130 Kilometer, 700 Höhenmeter und einen Schnitt von gut 29km/h an. Was aber viel mehr zählt: Mein inneres Navi für Glück und Zufriedenheit weist 101 von 100 möglichen Punkten aus. 100 Punkte dafür, dass diese Fahrt so unerwartet schön wurde und mich sogar zum ersten Mal in der laufenden Saison nach Bad Radkersburg führte. Der Extra-Punkt ist wohl dem besonderen Glück, das man nur auf Jungfernfahrten empfinden kann, geschuldet.
Zum Nachfahren:
Die GPX-Datei zum Download
Link zur Tour auf Garmin Connect