OOBA-012: Out of the Box-Allgemein – Beitrag 012

RobArts Oachn Radl. Sorgte bereits für gehöriges Aufsehen in der südsteirischen Radsport-Community. Und bedeutete als RobArt01 die Initialzündung für die Idee, dass da noch mehr gehe. Für die Idee zu einem Zwilling. Einen zweieiigen. Für RobArt02.

Rückblende: Bei einem Besuch in London vor mehr als 20 Jahren kam ich zufällig an einer Fahrradbotenzentrale vorbei. Und konnte meinen Augen kaum trauen. Neben den coolen Typen, die vor dem Eingang herumlungerten, lehnten noch viel coolere Bikes. Bikes ohne Gangschaltungen. Ohne Lenkerbänder. Zumeist ohne als solchen noch erkennbaren Lack. Und vor allem: ohne Bremsen. So etwas hatte ich bis damals noch nie gesehen. Und genau dieses Bild geht mir seit damals nicht mehr aus Kopf.

Dazwischen liegen jetzt nicht nur die erwähnten mehr als 20 Jahre. Dazwischen liegen mindestens drei persönliche Fahrrad-Lebens-Partnerschaften. Vom Mountainbike-Rennfahrer über den identitätssuchenden Herum-Radler bis zum aktuellen, begeisterten Touren- und Gravelroadfahrer.

Passend zu den jeweiligen Phasen standen und stehen die Bikes im Keller. Nur eines war bis heute nie dabei: ein Fixie oder Singlespeeder. Und das obwohl oder gerade weil diese mittlerweile hippe Alltagsgefährte sind. Obwohl man bunte und sogar preiswerte Singlespeeder mittlerweile in jedem Sporthaus bekommt. Aber: So ein hippes Ding, mit gelben Felgen, gelber Kette, gelbem Sattel, gelbem Lenkerband und einem Billigmaier-Tretlager brauche ich nun wahrlich nicht. Das passt nicht zu meinem ursprünglichen Bild.

Blieben noch die ernsthaften denkbaren neuen Fixies, wie etwa ein Cinelli oder gar ein Festka. Das Problem dabei: In Graz ist dieser Trend zu hochwertigen Fixies noch immer nicht richtig angekommen. Und aus dem Internet wollte ich mir keines besorgen.

RobArt01 brachte mich somit auf die Idee: Selbermachen. Denn: Die Fixies der damaligen Fahrradboten gab es ebenfalls in keinem Geschäft zu kaufen. Es waren zumeist umgebaute, ehemalige Bahnräder. Oder richtig alte Straßenrahmen mit waagrechten Ausfallenden. Zweckentfremdet für den Stadtverkehr. Genutzt von Freaks, die mit starrem Gang und ohne Bremsen durch die Häuserschluchten und zwischen Autokolonnen surften. Wie auf einer perfekten Welle.

So etwas schwebte mir vor. Und so einen Ideenfloh setzte ich meinem Nachbarn Robert Pressnitz alias RobArt ins Ohr. Motto: Das wäre doch was. Ein Holz-Fixie Marke Eigenbau. Als Zwilling zu RobArt01. Das erste Holz-Fixie der Südsteiermark, sozusagen.

RobArt sagte dazu zunächst nicht viel. Kein Wunder. Als Jungvater der super quirligen Eva. Als Partner seiner Heike. Als Vollzeit-Berufstätiger. Als Hausrenovierer. Als bester Arbeitshelfer seines Schwiegervaters im Weingarten. Als Läufer. Als Radfahrer. Und als werdender Vater ihres zweiten Kindes hatte er nicht gerade üppig Zeit für ein zweites Radprojekt.

Und trotzdem rief er mich eines Tages im Herbst des vergangenen Jahres völlig unvermittelt an. Ob ich Zeit hätte. Ob er kurz einmal bei mir vorbei schauen könne. Ohne weitere Angabe von Gründen.

Klar. Sagte ich. Denn: Robert und Familie sind bei uns immer willkommen. Was er dann mitbrachte, haute mich aber beinahe aus den Socken. Drei Skizzen für Fixies nämlich. Eine Skizze davon klassisch. Eine gewagt. Und eine extrem. Anders als alles, was ich bislang gesehen hatte. Es brauchte es nur eines kurzen Blickes, bis wir beide wussten, welche Variante es werden würde.

Höflichkeitshalber fragte ich, ob er sich das wirklich antun wolle. Doch als ich sein Glitzern in den Augen sah, kannte ich die Antwort. Die sich dann in etwa so anhörte: Ich kann ja nicht immer alleine mit meinem Oachnradl ausfahren. Zwei Holzwürmer wären da schon eine wesentlich bessere Vorstellung. Wir feierten diesen Sager mit mit einem echten südsteirischen Zigarrenbrand. Dem besten Tröpfchen für die beste Idee.

Nebensatz: Es gab seither einige Zwischenetappen zu feiern. Sodass vom Zigarrenbrand nicht mehr allzu viel übrig ist. Dafür steht mittlerweile RobArt02 im Keller. Dazu noch kurz mehr.

Noch am gleichen Abend machte sich RobArt daran, mein bestehendes Bike, ein Specialized AWOL, zu vermessen. Um es am nächsten Tag nochmals zu vermessen. Und dann die Handskizze mit seinem CNC-Programm in ein erstes Modell zu übersetzen. Bis er schließlich eine 1:1-Skizze des Rahmens zeichnete. Und diese Zeichnung mit dem AWOL abglich.

Als er damit zufrieden war, fertigte er ein 1:1-Modell aus Stahl an und glich dieses wieder mit dem Original ab. Dann lud RobArt zur nächsten ausführlichen Besprechung ein.

In dieser ging es darum, dass er vor hatte, bis auf die Laufräder, die Ritzel, die Kette, den Sattel und den Lenker ALLE Teile selbst anzufertigen. Also den Hauptrahmen aus Holz, den Hinterbau aus Stahl, den Vorbau, den Flaschenhalter, das Tretlager, die Kurbel, die Gabel und den Steuersatz. Und genau das tat er nach und nach.

Das Ergebnis war SPITZE. Ich habe selten so genial schöne Teile gesehen. Alleine: Im Praxistest erwiesen sich einige davon als etwas zu weich. So etwa die Gabel und die Kurbel.

Machte aber nichts. Die Teile wurden ersetzt. Ergänzt um die jeweiligen Anbauteile nahm das Bike über den Winter langsam aber sicher Formen an.

Während RobArt an seinen Teilen arbeitete, organisierte ich mit dem Team von Radsport Janger die Anbauteile: Laufradsatz von Pancho, Ritzel, Kette und Kurbel.

Und so stand Mitte März die erste gemeinsame Ausfahrt an. Von Arnfels nach Leutschach, weiter auf den Karnerberg, auf die alte Südsteirische Weinstraße zum Weingut Tscheppe, hinunter nach Fötschach und zurück nach Leutschach mit einer Pause im Kniely Haus.

Vor Glück und Freude strahlend trafen wir dort ein. RobArt stolz, weil sein Bike funktionierte. Und ich, weil ich von den Fahreigenschaften völlig begeistert war. Ich hätte mir nie gedacht, dass dieses Rad sich so gut fahren würde. Schließlich ist es mit gut 15kg nicht gerade leicht. Die Geometrie ist aber so gelungen, dass es unglaublich Spaß macht, es zu fahren. Auch die Übersetzung mit 46/16 passt für mich perfekt. In der Ebene kann ich mit einer angenehmen Trittfrequenz fahren, bergab lasse ich es rollen und bergauf waren die Anstiege auf den Karnerberg und die Weinstraße machbar.

Die technische Analyse ergab lediglich, dass die Sattelneigung noch etwas anzupassen und das Tretlager Marke Eigenbau durch ein originales zu ersetzen wäre.

Jetzt, wo das Bike fertig ist und ich endlich nach so vielen Jahren ein Fixie und Singlespeedbike in meinem im Keller habe (Flip-Flop-Nabe), weiß ich, dass mich dieses Fahrradkonzept damals nicht von ungefähr so angesprochen hat. Ich liebe das Gefühl, mit nur einem Gang auskommen zu können und trotzdem gut weiter und zumindest kurze, steile Anstiege hinauf zu kommen.

Doch RobArt02 ist mehr als nur ein Bike. Es ist ein gemeinsames Projekt mit Robert, bei dem zwar von der Skizze bis zur Umsetzung alle Arbeit bei ihm lag. Doch die Idee und den Mut zur extremen Lösung durfte ich beitragen. Das macht dieses Rad für mich zu etwas ganz Besonderem. Etwas, das ich immer mit Freude benützen und das ich keinesfalls je wieder her geben werde. Ich hoffe und freue mich schon jetzt auf alle Ausfahrten, die wir zwei Holzwürmer gemeinsam unternehmen werden.

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