OOBT-019: Out of the Box-Touren – Beitrag 019
Der Unterschied zwischen einer Tourenfahrt und einer Trainingsfahrt ist leicht erklärt. Auf einer Trainingsfahrt wäre nach dem Razza Schluss. Ende Gelände. Weil: Flasche leer.
Auf einer Tourenfahrt steigt man wieder aufs Rad. Und zwar, weil noch rund 100 Kilometer ins Ziel fehlen. Punkt.
Das Einzigartige am Tourenfahren ist gleichzeitig, dass genau dann die schönen Erlebnisse und die einzigartigen Emotionen kommen. In unserem Falle in Form der Fahrt vorbei an den Seen von Auronzo di Cadore und hinein in die Dolomiten zum Passo Tre Croci. Und das kann man sich in etwa so vorstellen:
Es herrscht eine völlig entspannte Freitag-Nachmittags-Stimmung. Es ist frühlingshaft warm, die Luft klar von den Gewittern des Vortags und auf der Straße ein reger, aber nicht zu starker einsetzender Wochenendverkehr. Und selbst dieser ist interessant, weil die Dichte an Porsches, Maseratis, Ferraris und sonstigen Premium-Cars wesentlich höher als zur vergleichbaren Stunde zwischen Arnfels und Eibiswald ist. Zwar gibt es auch in Eibiswald und Arnfels Ferraris und Porsches. Aber die kennt man schon. Hier auf der Dolomitenstraße kommt man aber quasi aus dem Staunen nicht heraus in Anbetracht der hohen Anzahl und Vielzahl der wundervollen Karossen. Arm, wer hier nur einen BMW fährt. Reich, wer sich das Treiben von zwei Rädern aus ansehen darf. Und gleichzeitig den See, die Dolomiten, die Autos, den klaren Himmel und noch vieles mehr ganz unmittelbar aufnehmen kann. Kein Wunder, dass die Müdigkeit in den Beinen dabei ganz in Vergessenheit gerät.
Zumindest, und das muss ich schon zugeben, bis sich der Croci aufzustellen beginnt. Und ein langhaariger, super gestylter Italiener auf einer Spitzenrennmaschine an mir vorbei schießt. Während es mir mit meinem Stahl-Packesel in Form des AWOL und erst recht den bereits sehr leeren Beinen gar nicht in den Sinn kommt, nachzusetzen, sieht das mein weit vor mir fahrender Kollege Davide ganz anders. Nämlich so, dass er sich nicht so einfach überholen lässt. Selbst wenn er mit einem Packrad unterwegs ist und der andere mit einer Carbonmaschine. Und so entwickelt sich vor mir ein heißes Duell, das ich mir zwar vorstelle, mich aber cool lässt.
Weiter oben, an der Kreuzung hinunter nach Cortina sitzt Davide mit einem Schmunzeln am Straßenrand und begrüßt mich: „Einen Schöggl überholt man nicht. Nicht einmal wenn er aufgepackt ist.“ Und schon lachen wir beide lauthals auf. Weiterer Erklärung en bedarf es nicht. Dafür kennen wir uns schon zu lange.
Die Abfahrt hinunter nach Cortina gleicht mit dem Rad einer Skiabfahrt im Winter auf der Sella Ronda. Rund ziehen wir die vorgegeben Schwünge entlang der wunderbar angelegten Straße mitten ins Zentrum nach Cortina hinein. Beziehen dort das Hotel mitten am Platz, organisieren uns ein typisch italienisches Lokal zum Abendessen und lassen den Abend in einem Bierpub ausklingen. Inmitten einer Mountainbiker-Runde aus Österreich, die ebenfalls im gleichen Hotel nächtigt. Mehr sei dazu nicht gesagt…
Das qualitative Tagesresümee:
- Lanza, Razzo und Tre Croci an einem Tag.
- Mit Packrädern.
- Da kommt Freude auf.
- Und Verwunderung: Wer kann sich nur eine solche Streckenführung einfallen lassen, Davide?
- Und Dankbarkeit.
- Für den besten Tag im Sattel, den ich bis dato erlebt habe.
Das quantitative Tagesresümee:
- 191 Kilometer
- 4.565 Höhenmeter
- 10:03 Fahrzeit