OOBT-018: Out of the Box-Touren – Beitrag 018
Wie üblich, nutzen wir die Rast, um die Weiterfahrt zu planen. Ein Blick auf die Uhr in Paularo signalisiert uns, dass wir dem Zeitplan nicht gerade voraus sind. Der Lanza war schließlich kein Kindergeburtstag. Dass es so weiter gehen würde, kommt uns zu diesem Zeitpunkt nicht in den Sinn. Das beginnt damit, dass der Pass von Paularo nach Paluzza zwar nicht allzu lang ist, aber wiederum super steil. Was mit einem Tourenrad und Packtaschen nicht gerade zu rekordverdächtigen Anstiegszeiten führt. Aber OK, dieser Abschnitt muss nicht näher beschrieben werden. Was hingegen folgt, ist das zweite Crna-Erlebnis unserer Fahrt. Und zwar nicht, weil die Straße so schlecht ist oder wir nicht wissen, ob wir noch richtig sind. Vielmehr, weil wir den Abschnitt von Paluzza nach Auronzo die Cadore wieder einmal völlig unterschätzt haben. Insbesondere den Sella di Razzo.
Die Wort-Assoziation, die der Name des Passes auslöst, trifft genau unsere Gedanken während des Anstiegs. Dieser ist zwar nicht steil, aber fühlt sich absolut unendlich lange an. Auch wenn uns die Karte alle Informationen liefert, die es benötigt um Klarheit über Länge und Höhe des Passes zu erlangen, so will unser Gehirn diese Information scheinbar nicht korrekt verarbeiten. Oder einfach und klar ausgedrückt: Wir wollen es nicht glauben. Nicht glauben, dass sich der Pass wirklich auf knapp 1.800 Meter hinauf schrauben wird. Nicht glauben, dass wir beinahe eineinhalb Stunden in diesem Anstieg drinnen stehen werden.
Aber genau so ist es. Und nachdem wir in der Bar beim Bepi ganz zu Beginn des Tals nur einen Espresso nehmen und Wasser nachfüllen, gehen zumindest mir gegen Ende des Anstiegs hin alle Energiespeicher zur Neige. Es wird kalt. Es weht eine ungemütliche Brise. Dunkle Wolken ziehen auf und spiegeln den Zustand meiner Radfahrerseele wider. Ich denke an eine Cola als Rettungsanker wie ein Herumirrender in der Sahara an einen Schluck Wasser.
Endlich oben angekommen die nächste Enttäuschung. Es geht nämlich nicht schnurstracks den Berg wieder hinunter, sondern zunächst scheinbar elendiglich lange auf gleicher Höhe dahin. Keine Abfahrt zu sehen, nur eine Straße, die irgendwo auf gleicher Höhe in den Wolken verschwindet. Wut steigt auf. Das kann es jetzt wirklich nicht sein. Wortlos fahre ich nach dem obligatorischen Pass-Foto weiter und in die Wolken hinein.
Die Verzweiflung hält dann aber nicht lange an, denn nach wesentlich kürzerer Zeit, als der erste Blick es erwarten lies, hat die Streckenführung Erbarmen mit mir und sticht hinunter ins Tal. Dort steuern wir zielstrebig im ersten Ort das erste verfügbare Geschäft an decken uns mit Bergen gesunder Nahrungsmittel ein: Cola, kalte Pizza und Kuchen. Zudem stellen wir die Schuhe einmal für eine halbe Stunde ins nicht vorhandene Eck.
Wir müssen beide einen ziemlich herunter gekommenen Eindruck machen, denn die einheimischen Jugendlichen, die mehrmals auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorbei schlendern, können und wollen sich ihr Lachen nicht verhalten. Was uns angesichts der wieder vollen Speicher aber herzlich egal ist und auch uns nur zum Lachen bringt.
2becontinued