OOBT-012: Out of the Box-Touren – Beitrag 020

Start in den letzten Tag: Vom Trubel in die Ruhe

Der Tag startet mittelprächtig. Nämlich inmitten der Meute an Mountainbikern, die wir bereits vom Vorabend kennen, am Frühstücksbuffet. Mit Geduld und List kommen wir dennoch zu unserem fairen Anteil am Buffet und letztendlich sogar zu einem Sitzplatz. So viel Enge inmitten der alpinen Weite der Dolomiten hätten wir uns gerade zum Start des letzten Tages nicht gewünscht. Doch es dauert nur circa 10 Minuten in den ersten Anstieg hinein, bis Davide sich nach vorne verabschiedet hat und ich wieder völlig alleine der ersten Passhöhe in Form des Falzarego entgegen kurble. Geistige Entspannung inmitten körperlicher Anspannung ist angesagt.

Nach dem Tre Croci ist das erst mein zweiter echter Dolomitenpass, den ich je gefahren bin. Und irgendwie habe ich das Gefühl, erst jetzt so richtig anzukommen. Nehme den Asphalt wahr, die sanfte, gleichmäßige Steigung des Falzarego, den Blick hinauf zur Weltcup-Piste und zum Tofana-Schuss, stelle mir den Giro vor, wie die Berg-Domestiken die Leader über die ersten Höhenmeter dieses legendären Passes ziehen und Motorrädern gleich den Anstieg hinauf schnellen. Unwillkürlich fahre ich Lenkeruntergriff und wechsle in den Wiegetritt. Nicht, um schneller zu werden. Viel mehr, um das Gefühl an diesen geschichtsträchtigen Metern zu vertiefen. Das Gefühl, Teil der weltweiten Radsportgemeinschaft zu sein. Auch, als Teil der Welt der Rennfahrer, wenn auch nur als Fan.

Davide wiederum lebt an diesem Tag in seiner eigenen Welt. Und zwar in der Welt der Sella Ronda. Seinem erklärten Lieblingsrennen auf dem Mountainbike. „Bernhard, das musst du noch einmal fahren“, höre ich mehrmals an diesem Tag. Insbesondere ab Stern, über den Campolongo hinüber nach Arabba, hinauf auf den Pordoi und weiter über den Sella. Keine Ecke des Weges, die Davide nicht kennt, wo er mich nicht auf einen Wanderweg hinweist, den er sich in wenigen Wochen wieder hinaufquälen oder den er hinunter „kleschen“ wird.  Und ich muss schon zugeben. In meiner aktiven Zeit als Mountainbiker habe ich die Sella Ronda versäumt, und hätte sie gleichzeitig geliebt. Leider steckte ich damals zu sehr in der nationalen Szene fest und nahm mir zu wenig Zeit, mir die wirklich großen alpinen Rennen zu geben. Jetzt hingegen bin ich froh, mich auf befestigten Straßen und ohne  Zeitdruck durch die Dolomiten bewegen zu können.  So ändern sich die Zugänge. Und dennoch sind sie mit so einer Tour wunderbar vereinbar.

Genuss und italienisches Radsportflair pur: Die Raststationen auf den Dolomitenpässen

Ein absolutes Highlight jeder Dolomitenfahrt sind die Raststationen auf den Passhöhen. Wir nahmen uns unsere verdiente Auszeit auf dem Pordoi Pass. Die Bilder vom dortigen Café sagen mehr als tausend Worte. Mir fallen dennoch die folgenden dazu ein: Italienische Passkultur vom feinsten.

Bester Espresso, köstliche Kekse, ein wunderbarer Ausblick und unzählige Motorradfahrer, Cabrio-Piloten (Fahrer alt und Glatze, Beifahrerin jung und blond), Radfahrer und Wanderer. Inmitten des Trubels coole und freundliche Servierkräfte. Und zwei Südsteirer, die das rege Treiben genießen.

Vom Pordoi aus trennt uns nur mehr eine kurze Abfahrt mit folgendem kurzen Anstieg auf das Sellajoch von der langen, rund 50-kilometrigen Abfahrt nach Bozen. Dazwischen noch ein deftiges Menü in Wolkenstein, denn an diesem Startort der Sella Ronda konnten wir nicht einfach so vorbei fahren.

Der Rest ist reinster Genuss. Von der kargen alpinen Welt des Sella Blockes geht es das Grödener Tal hinaus und hinunter ins üppige und warme Bozener Tal. Dort der Hauptstraße am Radweg entlang, immer bergab bis wir beinahe unversehens am Walther von der Vogelweide Platz in Bozen stehen. Zu schnell und fast zu schön, um wahr zu sein.

Das qualitative Tagesresümee:

  • Genussfahrt über die Dolomiten.

Das quantitative Tagesresümee:

  • 121 Kilometer
  • 2.537 Höhenmeter
  • 5:51 Fahrzeit

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