TG2-002_ Tourengebiet Eichberg & Südsteirische Weinstraße – Tour 002
Hauptstraßen bringen mich als Radfahrer von A nach B. Gut so. Aber: Ausfahrten auf immer kleiner werdenden Straßen, quasi in die Kapillaren des Straßen- und Wegenetzes, erwecken den Abenteuergeist in mir. Wo führen sie hin? Führen sie überhaupt wohin oder enden sie im Wald oder einem Hof? Wie kann ich neue Verbindungen finden und daraus neue Tourenskizzen anfertigen?
Das Geniale an der Südsteiermark entlang der Grenze zu Slowenien bis hinunter nach Maribor: Es gibt unendliche viele dieser Kapillaren zu entdecken. So gelungen auch heute mit dem „Durchstich“ von Juri über Spicnik zum Gasthaus Repolusk (slowenische Seite bei Sulztal) über eine mir bis dahin völlig unbekannte Schotterstraße. Zurück auf einem neu entdeckten Asphaltabschnitt nach Svecina.
Das Gebiet zwischen Juri, Svecina, Kungota bis hinüber nach Sentilj entlang der slowenischen Seite der Südsteirischen Weinstraße ist ein Juwel. Unzählige Gräben, Kögel, Sträßchen, Schotterstraßen und Wege ziehen sich wie Kapillaren bis in die letzten Winkel dieser traumhaften Landschaft. Naturbelassener, nicht so gestylt und bis in den letzten Winkel designt wie die österreichische Seite, bietet dieses Eck in unmittelbarer Nähe zu meinem Heimatort Arnfels die einzigartige Möglichkeit, von einer Minute auf die andere in eine völlig andere Welt einzutauchen. Nur rund 30 Radminuten vom eigenen Radkeller entfernt fühle ich mich hier ganz plötzlich ganz weit weg von zu Hause. Und trotzdem heimisch.
Auf meiner letzten Fahrt durch Svecina lernte ich in meiner Stammbar den slowenischen Wirten Repolusk kennen. Er saß neben mir an einem der Stehtische vor der Bar und genehmigte sich um kurz nach sieben Uhr morgens mit seinem Begleiter einen slowenischen Klaren. Meiner Einschätzung nach sogar einen doppelten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Er fragte mich, wo ich her käme und wo ich hin fahre. Und erzählte, dass er einen 70-jährigen Bekannten in Graz hätte, der täglich 150 Kilometer mit dem Rad fahre. Und eine Figur hätte wie ein 18-Jähriger. Aber: Wie ein 18-Jähriger von früher, nicht von heute, wo alle 18-Jährigen fett seien. Und er fragte mich, ob ich Fleisch esse oder nur Gemüse. Was mich natürlich freute, denn insgeheim schloss ich daraus, dass er mich wohl als sehr fit einschätzte. Und schließlich übergab er mir stolz ein Kärtchen von seinem Gasthaus „Gostilna Repolusk“ in Spicnik 20, 2201 Zg. Kungota, Slovenija. Ich solle doch einmal vorbeikommen und dort einen Espresso trinken. Dann beschrieb er mir noch grob den Weg von Svecina dorthin. Ich sagte zu und meldete mich für den Herbst zu einem Besuch an.
Nun: Es dauerte nicht bis zum Herbst. Denn heute suchte ich nach einer kürzeren bis maximal zwei Stunden dauernden Runde. Also fuhr ich Juri links in den Graben ein, der mich üblicherweise nach Svecina führt. Doch an meiner üblichen Abzweigung nach Svecina fuhr ich entsprechend der vermeintlichen Wegbeschreibung gerade aus weiter in den Graben hinein. Und tatsächlich: Dort wo sich Fuchs und Hase bestimmt verirren und verlieren, wenn sie sich Gute Nacht sagen, fand ich eine Abzweigung mit einem Schild zum Repolusk. Erfreut bog ich rechts ab. Und stand kurz danach in der Pampa. Ein desolater Hof mit einem Bauernhaus, in dessen Wohnzimmer ein riesiges Loch klaffte und danach zwei Schotterwege, einer nach links und einer nach rechts. Und kein Hinweisschild mehr.
Aber: Umdrehen ist nicht. Ich entschied mich für den rechten Weg. Gibt irgendwie mehr Sicherheit. Der Weg führte mich in einen wunderbaren Anstieg, eröffnete aus dem Graben empor führend bald herrliche Ausblicke auf das Pohorje-Gebirge, schlängelte sich durch einige bewohnte Höfe und mündete schließlich auf einem kleinen Platz mit traumhafter Aussicht auf Sulztal und weiter im Westen die Koralpe. Erst auf den zweiten Blick entdecke ich mein Ziel: die Gostilna Repolusk. Direkt zu meiner Linken.
Leider: Der Wirt war gerade nicht anwesend. Aber, immerhin die Wirtin. Ich stelle mich vor. Erklärte, dass ich ihren Mann in Svecina bei einem Kaffee kennengelernt habe. Den Doppelten lasse ich sicherheitshalber weg. Und dass er mich in die Gostilna eingeladen habe. Bei einem super guten Espresso tauschen wir uns ein wenig aus und entdecken, dass wir sogar gemeinsame Bekannte haben. Aus Arnfels. Und in Soboth, beim Gasthof Messner. So klein ist die Welt. Und so genial. Bike verbindet eben.
Abschließend lasse ich mir den Weg auf der Asphaltstraße zurück nach Svecina erklären. Den Weg, den der alte Repolusk eigentlich gemeint haben dürfte. Und schließe dann diesen für mich neuen Kreis. In den Kapillaren der Südsteiermark.